Do it yourself: DAS „BLOCKIERENDE ELEMENT“ – PROBLEM ALS SCHLÜSSEL ZUR LÖSUNG
Vorbemerkung
Die Methode der Systemischen Selbst-Integration versteht Trauma als ein „Introjekt”. Das heisst, dass ein längst vergangenes Trauma auch heute noch wirkt, weil es im Körper gespeichert ist. In der Aufstellung zeigt sich das dadurch, dass sich das Trauma im eigenen Raum befindet, so als gehöre es hier und heute zur eigenen Identität. Traumatherapie bedeutet dann, zu überprüfen, ob ein bekanntes Trauma sich noch im eigenen Raum hier und heute befindet, und es aus dem eigenen Raum zu entfernen.
Wenn die bekannten Traumata auf diese Weise entfernt wurden und immer noch ein Problem besteht, dann könnte das durch ein gespeichertes unbekanntes, bzw. unbewusstes Trauma bedingt sein. Diese Sichtweise ermöglicht ein Neues Format: Problem als Schlüssel zur Lösung. Das Problem kann benutzt werden, um der KlientIn ein unbewusstes Trauma bewusst zu machen und zu behandeln. Dabei kann es sich um traumatische Erfahrungen aus der eigenen Biografie, aber auch um übernommene Traumata aus dem Familiensystem handeln: Generationen übergreifende Traumata.
Grundannahme
Wenn wir annehmen, dass jede KlientIn grundsätzlich einen Selbstanteil hat, der ihre Probleme lösen kann, dann können wir umgekehrt schliessen: wenn ein Problem auftaucht, dann ist die KlientIn nicht mit diesem Selbstanteil verbunden, weil ein Introjekt sie daran hindert („blockiert”). Um dies „blockierende Element” (BE) genauer bestimmen, benennen und abgrenzen zu können empfiehlt sich folgende Vorgehensweise.
Anleitung zum „Do it Yourself”
Im Folgenden bekommst du eine Anleitung, um selber eine solche Aufstellung durchzuführen. Als Requisiten brauchst du: einen Hocker (z.B. Ikea), zwei Stühle mit je einem schönen runden Kissen (z.B. Meditationskissen), einen schweren und einen leichten Kieselstein, einen Schal und möglichst einen Paravent.
Da heftige Gefühle auftauchen können, empfehle ich dir dringend, erstens, heftige Traumata nicht ohne professionelle Unterstützung zu bearbeiten und zweitens, dass auch bei „banalen” Traumata eine Person deines Vertrauens (AssistentIn) dich dabei begleitet!
Bitte gib mir Rückmeldung (an praxis@e-r-langlotz.de), sowohl bei positiven Reaktionen als auch bei eventuellen unangenehmen Reaktionen!
Aufstellung
Aufstellungsbild
Du nennst ein Problem, und stellst Repräsentanten auf für dein erwachsenes Selbst („ES”, das diese Problem lösen kann) und dein kindliches Selbst und einen Hocker für das, was deine Verbindung zu diesem ES blockiert, und dich selbst stellst du auch dazu.
Meist steht das BE in der Mitte, deine Selbstanteile und du ihr steht um das BE herum und du spürst wenig Verbindung zu deinen Selbstanteilen.
Grenze
Du kannst dich entscheiden, durch einen Schal eine Grenze für deinen „Raum” anzudeuten und den Hocker (BE) aus diesem Raum herauszustellen.
Dir geht es danach meist deutlich besser. Bisweilen „vermisst” du aber auch das BE!
Was steckt hinter dem BE?
Als nächstes „testest” du den Platz des BE, indem du dich auf dessen Platz stellst und auf die Gefühle und Bilder achtest, die in dir aufsteigen. Du achtest auf alles, was auftaucht und lässt dir dabei Zeit. Bisweilen taucht sofort das Bild eines Traumas auf, das du selbst oder deine Familie erlebt hast, verbunden mit sehr heftigen Gefühlen. Oder es taucht zunächst nur ein Gefühl oder ein Glaubenssatz auf, welcher deine Verbindung zum Selbst blockierte. Dann versuchst du die „Quelle” dieses Gefühls oder dieses Glaubenssatzes herauszufinden. Wohin gehören diese Elemente (Glaubenssatz, Gefühle)? Gibt es ein dazu passendes Ereignis in deiner eigenen Biografie – oder im Familiensystem? Meist taucht jetzt eine traumatische Situation auf.
Benennen des Traumas
Jetzt kannst die das BE benennen als ein eigenes, oder ein übernommenes Trauma.1
Das ist oft verbunden mit heftigen Gefühlen. Die Einsicht, aber, dass dies Ereignis schon lange vorbei („mausetod”) ist, bzw. zu Mutters oder Vaters System gehört, ist sehr erleichternd.
Erste Distanzierung zum Trauma
Du gehst zurück und kannst jetzt zum Trauma sagen: „Du bist das Trauma (meiner Mutter, der 12-jährigen (dein Name)) und ich bin ich! Ich bin vollständig auch ohne dich! Du liegst (20, 60) Jahre zurück und ich lebe hier und heute!”
Trauma als Introjekt
Nachdem auf die geschilderte Weise das Trauma entdeckt wurde, das für das aktuelle Problem ursächlich ist, kannst du noch einmal spüren, wie es sich anfühlt, wenn dieses Trauma in deinem Identitätsraum ist. Meist fühlt sich das für dich sehr bekannt an, bisweilen sogar als unverzichtbar! So als würde es dir Identität und Sicherheit geben! Gleichzeitig – wohl durch die erste Distanzierung – erlebst du es jetzt als störend.
Entfernen des Trauma-Introjektes
Jetzt hast du die Möglichkeit, zu entscheiden, ob dies Trauma HIER UND HEUTE zu deiner Identität gehört – oder nicht. Du benennst das Trauma und setzt es aus deinem Raum heraus mit den Worten: „Bei allem Respekt für Mutters – oder:mein eigenes – Schicksal, du gehörst nicht in meinen Raum HIER UND HEUTE!”
Danach spürst du bereits eine bessere Verbindung zu deinen Selbstanteilen.
Befreiung von den Trauma-Gefühlen
Mit diesem eigenen – oder fremden – Trauma waren heftige Gefühle verbunden: Schmerz, (Todes-)Angst, Ohnmacht, Verzweiflung, vielleicht auch Wut und Scham. Kennst du diese Gefühle, so als würden sie HIER UND HEUTE zu deiner Identität gehören? Dann kannst du jetzt diese Gefühle symbolisch in einen schweren Stein „fliessen” lassen und das, was gar nicht zu dir HIER UND HEUTE gehört, zurücklegen auf den Hocker (Trauma). Was von diesen Gefühlen vielleicht noch in deinem Körper, in deinen Zellen „gespeichert” ist, kannst du symbolisch zurückatmen, bzw. zurückhusten.
Erste Annäherung an die Selbst-Anteile
Wenn möglich stelle einen Paravent als Sichtschutz zwischen dich und das Trauma, um dich deinen Selbstanteilen zu nähern. Ist dir dein ES bekannt, dass sich abgrenzen kann, ohne Schuldgefühle, das seinen Wert in sich trägt, unabhängig davon, was es leistet? Wenn nicht, dann hast du vielleicht die Sichtweise („Brille”) deiner Familie übernommen, die diese Seite von dir nicht schätzen konnte? Dann stelle dir vor, dass du diese „Brille” symbolisch ablegst, und spüre nach, wie es sich anfühlt, wenn du mit deinem Selbst eins wirst – statt dich mit dem Trauma von damals zu identifizieren? Meist fühlt sich das sehr gut an. Um diese Selbst-Verbindung zu vertiefen, ist jetzt erforderlich, dass du genau unterscheidest zwischen dem, was du HIER UND HEUTE bist – und dem das gar nicht dazu gehört. Dazu ist das Abgrenzungsritual geeignet.
Abgrenzung zum Trauma
Stell dir vor, das Trauma kommt auf dich zu, um wie gewohnt, den Platz in deinem Raum einzunehmen – oder eine AssistentIn übernimmt diese Rolle – und du stoppst das Trauma, bevor es deine Grenze erreicht.
Vielleicht fühlt sich das ungewohnt, unpassend, verboten an? Dann mach dir klar:Du hast das Recht dazu! Du hast die Kraft dazu! Das wäre so etwas wie ein „gesunder Schutzreflex”!
Um auch deine stimmliche Kraft in diese Abgrenzung einzubeziehen, kannst du einen (Tiger-) Schrei damit verbinden, je lauter desto besser.
Zweite Annäherung an die Selbstanteile
Nach dieser Abgrenzung spürst du vielleicht, dass die Verbindung zu deinem ES viel besser geworden ist. So mit deinem ES verbunden kannst du dich jetzt auch mit deinem kindlichen Selbst („innerem Kind”) verbinden. Stell dir vor, wie es sich fühlen würde, wenn du zu ihm sagst: „Das Schlimme ist schon lange (20, 60 Jahre) vorüber. Und du bist daran ganz unschuldig! Und ich lasse nicht mehr zu, dass durch ein lange vergangenes – oder fremdes – Trauma belastet wirst!” Wenn es in deiner Familie erfahren hat, dass es nicht erwünscht oder falsch sei. Wenn es Abwertung, Beschämung oder Verletzung erlebt hat, dann kannst du zu ihm sagen: „Auch wenn das diese verwirrte Familie nicht bemerkt hat: Du bist goldrichtig! Ich lasse nicht mehr zu, dass du abgewertet, verletzt, beschämt oder überfordert wirst! Ich vertraue dich nicht mehr anderen Menschen. Ab heute bist DU für mich die Nummer Eins, vor einem Partner, vor dem Job, vor den Kindern!” Und dann spüre, wie es sich anfühlt, wenn du dein inneres Kind (vertreten durch ein Kissen) in deinen Arm nimmst.
Gegenabgrenzung
a) Wenn du irrtümlicherweise das Trauma als Introjekt in deinem Raum festgehalten hast, dann ist es hilfreich, körperlich zu spüren, dass es HIER UND HEUTE gar nicht zu deiner Identität gehört. Dazu gehst du symbolisch in den „Raum” des Traumas, und stellst dir vor, dass dich jemand stoppt mit dem Satz: „Das bist du nicht, das gehört hier und heute gar nicht zu dir!” (Das könnte eine AssistentIn übernehmen.) Meist brauchst du das zwei- bis dreimal.
b) Vielleicht kennst du das von dir, dass du dich gerne mit vergangenen Problemen beschäftigst – und damit viel Zeit und Energie verschwendest. Da kann es hilfreich sein, wenn du dir vorstellst – oder mittels Assistentin körperlich erlebst: „Was vorbei ist, ist vorbei! Es gibt kein ZURÜCK!”
Das Schicksal annehmen
Stell dir vor, jemand – oder real die Assistentin – reicht dir einen (leichteren) Stein mit den Worten: „Das Schicksal bringt Schönes und Schmerzliches – z.B. ein Trauma. Auch das Schmerzliche ist nicht „Böse”, sondern es ist eine Herausforderung. Wenn du dies annimmst, dann kannst du daran wachsen. Wenn du dir aber selber leid tust, dem „Schicksal” grollst und in die „Opferrolle” gehst, dann macht es dich schwach. Wahrscheinlich kennst du beides, und jetzt kannst du dich noch einmal entscheiden!”
Schritte ins HIER UND JETZT
Das Vergangene lässt du hinter dir. Das was zu dir gehört, deine Selbstanteile nimmst du mit und dann gehst du „sieben Schritte” durch eine Türe ins HIER UND JETZT – und die Türe zur Vergangenheit machst du hinter dir zu.
Ero Langlotz, 22.3.2018
1) Zur Verdeutlichung einige konkrete Beispiele für ein Problem, und das BE, das sich als ein übernommenes Trauma herausstellte.
Verlustängste. BE: das Schicksal der jüdischen Großmutter. Sie verlor Heimat, Besitz und einen Teil der Familie.
Scheidung, Mobbing. BE: das Trauma einer sehr geliebten Tante. Diese litt an Epilepsie, wurde von ihrem ersten Mann verlassen und von ihrem zweiten Mann gedemütigt.
Mangelnder Erfolg. BE ein Trauma der Eltern: fünf Jahre vor Geburt des Klienten verloren sie allen Besitz durch eine Bombe.
Sprech-Hemmung vor anderen. BE: eine sehr geliebte Tante, die als Folge eines Hirntraumas nur stammeln konnte und deshalb von der Familie versteckt wurde.
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