Verwerfungen im System “Individuum”
In der Familienaufstellung einer traumatisierten Familie werden Verstrickungen im Familiensystem deutlich, welche immer zu Verwerfungen im „System Individuum“ führen. Wird die Familienaufstellung dadurch erweitert, dass ein Repräsentant für das Selbst aufgestellt wird, dann können diese „Verstrickungen“ genauer untersucht und präzise so beschrieben werden.
Eltern, die selber durch Familientraumen belastet sind, tendieren dazu, auf das eigene Kind eigene unbewusste Bedürfnisse zu projizieren. Kinder lernen schnell, diese Erwartungen der traumatisierten Eltern zu spüren, und sich unbewusst nach ihnen zu orientieren. So übernehmen sie die Rolle eines fehlenden Vaters (Parentisierung) oder eines nicht präsenten Partners (Partnerrolle). Sie lassen sich unbewusst „seelisch benutzen“ und „lernen“ so, sich eher nach fremden Erwartungen und Überzeugungen zu orientieren, als nach den eigenen. Sie sind mit ihrer Wahrnehmung mehr im Aussen, sind „aussenorientiert“, das beeinträchtigt ihre Fähigkeit, sich abzugrenzen und die eigenen Bedürfnisse zu spüren, d.h. mit ihrem „Selbst“ verbunden zu sein. Die fehlende Abgrenzung erschwert die Selbstverbindung – und umgekehrt. Ein Teufelskreis..
Für ein Selbst-bestimmtes Leben ist jedoch die Unterscheidung zwischen dem Eigenem und dem Fremden, und damit die Abgrenzung entscheidend. Erst wenn in dieser Weise ein eigener innerer Raum entsteht, ist Verbindung mit den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen (mit dem Selbst), und damit Orientierung und Selbst-Regulation möglich.
Ausser der – sehr verbreiteten – frühen Erfahrung von emotionalem Missbrauch kann auch die Erfahrung körperlicher Gewalt oder der frühe Verlust eines nahen Angehörigen die Entwicklung der Abgrenzungsfähigkeit empfindlich stören. Das führt zu typischen Veränderungen im „System Individuum“, welche auch alle späteren Beziehungen prägen..
Wenn durch frühes Trauma Grenze und eigener Raum beeinträchtigt sind, dann haben die Betroffenen die Tendenz,
- sich mehr nach den Bedürfnissen und Überzeugungen anderer zu orientieren – statt nach sich selber.
- eher eigene Selbstanteile auszugrenzen („abzuspalten“) – als fremde,
- die eigene Aggression eher destruktiv gegen sich zu richten – statt auf „gesunde“ Weise zu benutzen, um sich gegenüber anderen zu wehren, um sich abzugrenzen.
Diese Aspekte lassen sich als Symbiosemuster beschreiben Es wurde durch frühe Konditionierung erworben. Dies Muster prägt alle Beziehungen. Dies Muster ist verantwortlich für erhöhte Sensibilität und Verletzbarkeit, für Stress, für Erschöpfung, für Burnout und die daraus folgenden psychosomatischen Störungen.
Weiter ist dies Muster die zentrale Ursache für Beziehungsstörungen (Abhängigkeit/ Koabhängigkeit), und Befindlichkeits-Störungen und „psychischen Erkrankungen“ (z.B. Depressionen, Eßstörungen und Psychosen).
Für die Lösung des Symbiosemusters ist Abgrenzung und Integration des bisher abgespaltenen Selbst entscheidend. Durch diese Erweiterung wird aus dem Familienstellen eine tief und rasch wirkende systemische Familientherapie, welche auch sehr gut in der Einzelsitzung angewendet werden kann: Familientherapie ohne Familie.
weiter zu Systemische Selbst-Integration >>