INSTITUT SYSTEMISCHE SELBST-INTEGRATION LANGLOTZ-KUTZELMANN
- Vor 20 Jahren: Brief an Stavros Mentzos
- Systemisches Autonomie-Modell: das Autonomie-Diagramm
- Zweiter Teil der Grundausbildung
Liebe Freunde,
liebe Kolleg*innen,
mit diesem Newsletter nehme ich euch mit ins Archiv. Dort bin ich auf diesen Briefwechsel von 2006 mit dem psychoanalytischen Psychose-Therapeuten Stavros Mentzos gestossen, der für mich noch erstaunlich aktuell klingt:
Vor 20 Jahren: Brief an Stavros Mentzos
Lieber Prof. Dr. Mentzos,
mit großem Interesse habe ich Ihren Aufsatz zu Therapie von Psychosen gelesen. Ich bin davon fasziniert, dass Sie den Grundkonflikt bei Psychosen im Dilemma zwischen Nähe zum anderen und der eigenen Autonomie sehen.
Auch ich verstehe den Grundkonflikt beim – von mir so bezeichneten “Verschmelzungssyndrom” in der subjektiven Unvereinbarkeit von Nähe zum Anderen und gleichzeitigem Kontakt zu sich selbst.
Wie Sie in meinem Aufsatz sehen, glaube ich, drei unterschiedliche ENTSTEHUNGSBEDINGUNGEN FÜR DAS Verschmelzungs-Syndrom ausmachen zu können:
1. die übergriffige Mutter (“Infektion durch die symbiotische Mutter”)
2. der nicht erreichbare Vater (“umgekehrte Empathie”)
3. die unbewußte verschmelzende Bindung an ein unbekanntes Geschwister.
Diese frühen Bindungserfahrungen, werden zum “Modell” für spätere Beziehungen, zum Partner, zum Kind, zur Arbeit, etc. Bei einigen Patienten scheinen alle drei Bedingungen vorzuliegen!
Wie Sie verstehe ich das Verschmelzungs-syndrom als Anpassung an eine Mangelsituation und die resultierenden Symptome als Kompensationsversuch, mit einem Verschmelzungssyndrom zu überleben.
Das Familienstellen erlaubt einen unmittelbaren Zugang zu den frühen prägenden Bindungserfahrungen. Ich hatte mehrmals die Chance, innerhalb eines Aufstellungsseminars je die HERKUNFTSFAMILIE des Psychosepatienten und der begleitenden Eltern aufzustellen. Dabei zeigte es sich, dass bereits beide Eltern mit einem eigenen Elternteil “verschmolzen ” waren und der Klient seinerseits mit beiden Eltern verschmolzen war. Dies erklärt die Eingeschränkte Identitätsentwicklung, aber auch die Übernahme traumatisierender Erlebnisse über Generationen weg von Großvater zu Enkel,die einen Teil des “psychotischen Erlebens” ausmachen.
Beim Familienstellen wird diese “Verschmelzung” auf drastische Art deutlich: ich stelle den Klienten an den Platz seiner Mutter. Dort kennt er sich aus -mehr als bei sich selbst, so als habe er die ganze Zeit noch “in der Mutter gesteckt”, “die Welt durch Mutters Augen gesehen”.
Zur Lösung führt ein Ritual von eindrücklicher Psycho-Dramatik: er “steigt” aus der Mutter aus, sagt die Identitäts-stiftenden Sätze:
Du bist Du, Ich bin Ich, Du hast Dein Schicksal, ich habe meines, Du gehst Deinen Weg, ich den meinen- und ich bleibe immer Dein Sohn.”
Unterstützend für diesen “INDIVIDUATIONS-PROZESS” wirken weitere RITUALE; das Zurückgeben von “verlorenen Seelenanteilen” (vom Elternteil zum Kind), und das Zurückgeben übernommener Last (vom = Kind zum Elternteil) . Beides wirkt sehr tief auf einer unbewußten = Ebene.
Ein wesentlicher Faktor für die ENTSTEHUNG DES Verschmelzungssyndroms scheint darin zu bestehen, dass bereits die Eltern sich von früh verstorbenen Angehörigen nicht verabschieden konnten, dadurch “Seelenanteile” verloren haben, sich dem Partner (Trennung) und dem Kind nicht zuwenden konnten, ihn nicht als das sehen können , was er ist, als Kind. So bietet das Kind dem Elternteil seine Seelenanteile “als Ersatz” an und glaubt, ihm fehlende Angehörige ersetzen zu müssen, um die Illusion von Nähe, Verbindung, Bedeutsamkeit zu ihm zu haben.
So entwickelt es eine “falsche Identität”, ein brüchiges Selbstgefühl, schwankend zwischen grandioser Selbstüberschätzung und dem Gefühl des Versagens.
Abschieds- und Abgrenzungs-Rituale sind daher bei meiner Art des Familienstellens zentral.
Übrigens finde ich das Verschmelzungs-Syndrom” in leichterer Ausprägung bei 70-90% meiner Klienten! Durch den Symbiose-Fragebogen ist es möglich, das Ausmaß von Abgrenzungs- und Selbstwahrnehmungsschwäche sowie die Kompensationsmechanismen “Überabgrenzung” und “dominantes Verschmelzen” quantitativ zu erfassen, was auch eine Effizienzkontrolle ermöglicht.
Bitte entschuldigen Sie meinen Enthousiasmus. Da ich bei meinen Aufstellerkollegen wenig Resonanz für meine Beobachtungen finde, freut es mich umsomehr, einem erfahrenen Therapeuten zu begegnen, der Ähnliche Vorstellungen entwickelt hat.
Natürlich ist das Familienstellen kein Allheilmittel gegen Psychosen, ich verstehe es als wichtiges diagnostisches aber auch therapeutisches Instrument, um die Aufmerksamkeit des Klienten auf diese Dynamiken zu lenken und ihm eine andere, befreite Erfahrung möglich zu machen, sodass er motiviert ist, sich therapeutische Hilfe zu holen.
Diesen Brief und meinen Aufsatz findet ihr im Forum
https://www.systemische-selbstintegration.de/t299f3-SYSTEMISCHE-SELBST-INTEGRATION-Die-Loesung-des-Dilemmas-Bindung-Freiheit-Jul.html
Systemisches Autonomie-Modell: das Autonomie-Diagramm
Dazu mein YT-Beitrag: Warum bin ich so unglücklich? https://youtu.be/azT7eisfU4I
Zweiter Teil der Grundausbildung beginnt
mit Modul 5 am 11.10. – 13.10.2024.
Es gibt noch freie Plätze für Quereinsteiger mit Vorkenntnissen in Aufstellungsarbeit!
Diese Videos zeigen neue Elemente unserer Arbeit:
Wie Hass entsteht-und überwunden werden kann: https://youtu.be/1lJxtq5z1P8
„Heilige Kriege“? – Das Göttliche ist die reine schöpferische Liebe“: https://youtu.be/GGhikMFgdsk
„DAS HERZ ÖFFNEN“ – LOYALITÄTSKONFLIKTE ALS BINDUNGSTRAUMA – Lösung durch Aufstellung: https://youtu.be/8YDY1BXifrc
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Wir grüssen euch herzlich!
Ero und Phil
(versendet: 01.10.2024)